Fünf für‘s Kämpfen

“…I may be disturbed, but I won’t you concede… even heroes have the right to dream? And it’s not easy to be me…”Diese Worte, hat die Band Five for Fighting vor etwa zwanzig Jahren in ihrem Lied Superman (It’s not easy) getextet. Seit ich diesen Song vor kurzem zum ersten Mal gehört habe, sind mir diese Worte im Gedächtnis geblieben. Und da die Band Five for Fighting heißt, habe ich angefangen, über die Zahl fünf nachzudenken. Denn: Genau an diesem Tag vor fünf Jahren nahm ich mit AMSEL meine Arbeit auf! Und heute, fünf Jahre später, ist AMSEL immer noch im Geschäft! Es ist also an der Zeit, meine ersten fünf Jahre als freiberuflicher Forscher Revue passieren zu lassen. Und was wäre einfacher, als einfach die fünf aufregendsten Aufträge zu nennen, an denen ich seit Beginn dieser Reise gearbeitet habe?

In den letzten fünf Jahren habe ich mehr als dreißig Rechnungen gestellt, und die meisten davon gingen an australische Adressen. Es ist also am besten, all diese verschiedenen australischen Projekte zu betrachten, für die ich gearbeitet habe, um die irgendwie fünf besten zu nennen. Die meisten Aufträge erhielt ich definitiv vom Centre for Disability Studies der Universität Sydney, aber ich habe auch für die Curtin University in Perth oder in einem Expertengremium, das Erste-Hilfe-Ratschläge für Menschen mit geistiger Behinderung in akuten psychischen Krisen zusammenstellte, gearbeitet. Das hat Spaß gemacht, denn da musste ich nur bestimmten Thesen zustimmen oder sie ablehnen, die vorgeschlagen wurden, um Menschen mit geistigen Behinderungen in Falle einer akuten psychischen Krisen am besten zu helfen. Mithilfe einer Delphi-Methode wurden diese Antworten dann zu Leitlinien zusammengefasst, denen wir abermals zustimmen mussten. Das klingt ziemlich einfach, war es aber nicht. Die von dem Expertengremium zusammengestellten Ratschläge zur psychischen Gesundheit sind nun jedoch eine offizielle Leitlinie und können hier eingesehen werden.

Ein weiteres großartiges Projekt war die Analyse von qualitativen Daten über inklusive Forschung mit Menschen mit geistiger Behinderung. Das CDS in Sydney betreibt eine eigene inklusive Forschungsgruppe, die zu Themen forscht, die für ihre Teilnehmer*innen von Belang sind, und während ich 2016 für das CDS in Australien arbeitete, hatte ich bereits einige Kontakte zu dieser Gruppe geknüpft. Im Jahr 2017 wurde ich als eine meiner ersten Aufgaben gebeten, eine Reihe von Interviews zu analysieren, die sich mit inklusiven Forschungsdaten und den Ergebnissen dieser Forschung für Menschen mit Behinderung befassten.

Im letzten richtigen Sommer, also vor der Pandemie im Jahr 2019, wurde ich beauftragt, an einer Zusammenstellung von Informationen über versteckte Behinderungen zu arbeiten, die von der Public Service Commission von New South Wales in Auftrag gegeben wurde. Das hat auch Spaß gemacht, und damals habe ich entdeckt, dass vor allem im Vereinigten Königreich, wo ich ja seit 2018 lebe, versteckte Behinderungen durch das Tragen eines symbolisierenden Schlüsselbands, des sogenannten Sunflower Lanyards, kommuniziert werden können. Was für eine tolle Idee, dachte ich damals noch. Durch das Tragen dieses Schlüsselbandes können Menschen mit versteckten Behinderungen sachkundigem Personal, zum Beispiel an Flughäfen, mitteilen, dass sie eine versteckte Behinderung haben und müssen eben nicht erklären, warum sie einer bestimmten Behandlung durch das Personal bedürfen. So weit, so gut. Aber jetzt, nur zweieinhalb Jahre später, wurde diese brillante Idee zunichte gemacht, da eine Vielzahl von Maskenverweigerern eben dieses Symbol für ihren Egoismus und ihre asozialen Tendenzen missbraucht haben. Ich will damit nicht sagen, dass es nicht auch bestimmte Leute gibt, für die das Sonnenblumen-Schlüsselband immer noch eine gute Möglichkeit ist, ihre Maskenbefreiung aus gesundheitlichen Gründen zu kommunizieren, aber die schiere Inflation dieser Schlüsselbänder seit (Wieder-)Einführung der Maskenpflicht macht es schwer zu glauben, dass diese Schlüsselbänder aus den richtigen Gründen getragen werden…

Nunja, diese Pandemie… Als Covid Anfang 2020 anlief, wurde mir auch die Kehrseite des Freiberuflerdaseins dann so wirklich klar. Ich hatte meinen letzten Job im Herbst 2019 beendet, und da ich ja keinen festen Anstellungsvertrag hatte, lagen dunkle Monate vor mir. Da ich nicht wusste, ob ich jemals wieder irgendeinen Vertrag bekommen würde, konnte oder wollte ich keine der Covid-19-Leistungen für Selbstständige in Anspruch nehmen, die die britische Regierung seit dem Start der Pandemie Selbständigen gewährt hat. Hätte ich gewusst, dass ich Ende 2020 wieder für weitere Projekte kontaktiert würde, hätte ich wahrscheinlich jeden einzelnen Penny in Anspruch genommen, der zur Verfügung stand.

Wie dem auch sei, Ende 2020 wurde ich gefragt, ob ich für ein gemeinsames Forschungsprojekt der University of Sydney und der Curtin University aus Westaustralien Transkriptionsarbeit machen könne. Die beiden Universitäten arbeiteten gerade an einem Projekt, das die Faktoren untersucht, die ein erfolgreiches unabhängiges betreutes Wohnen für Menschen mit geistiger Behinderung in Australien ermöglichen oder behindern. So wurde ich kurz vor Weihnachten kontaktiert, weil etwa 10 bis 20 Interviews darauf warteten, so bald wie möglich transkribiert zu werden. Aufgrund von Covid-19 und der Tatsache, dass ich seitdem keine Arbeit mehr gefunden hatte, war mir jede Arbeit recht. Leider waren die Kosten der Arbeit für die Transkriptionen bereits im Budget festgelegt, und ich hatte keinerlei Verhandlungsspielraum… Aber kurz nachdem ich alle Transkriptionen fertiggestellt hatte, wurde ich gebeten, auch die qualitative Analyse eben jener Daten durchzuführen, und während ich diese Zeilen schreibe, warten wir auf die offizielle Veröffentlichung des Forschungsberichts des Australian Housing and Urban Research Institute (AHURI), das das Projekt ausgeschrieben hatte.

Und da ich offenbar keine allzu schlechte Arbeit geleistet habe, wurde ich kurz nach Abschluss des AHURI-Auftrags kontaktiert, um an weiteren Daten aus anderen Forschungskontexten zu arbeiten. Dabei ging es z.B. um eine Konsultation, die mit australischen Behindertenverbänden durchgeführt wurde, um eine Zehnjahres-Forschungsagenda für die Behindertenforschung in Australien zu erstellen. Offenbar bin ich nun wieder im Spiel und kann meine Reise als freiberuflicher Forscher noch ein bisschen fortsetzen.

SCHLUSSFOLGERUNG

Was mal als zusätzliche Arbeit für die frühen Abendstunden im Jahr 2017 begann, ist in den letzten Jahren zu einem Zufluchtsort für mich geworden. Denn seit ich nach Großbritannien gezogen bin, konnte ich aus den bereits beschriebenen Gründen keine vernünftige Arbeit in meinem Beruf finden. Aber als Freiberufler kann man sich wenigstens in den Lebenslauf schreiben, dass man selbstständig ist und nicht einfach nur nichts tut. Und wenn mich Nachbarn hier manchmal fragen, ob ich “nach Covid” nun wieder im Büro bin oder noch von zu Hause aus arbeite, kann ich immer noch sagen, dass ich immer von zu Hause aus arbeite, da ich ja freiberuflich tätig bin. Dann muss ich eben nicht sagen: Ich bin arbeitslos und habe seit meinem Umzug ins Vereinigte Königreich mehr als zehn Vorstellungsgespräche vergeigt. Ob das nun gut ist? Das Lied, das ich vorhin erwähnt habe, schließt dann auch für mich passend damit:

I’m only a man in a silly red sheet
Digging for kryptonite on this one-way street
Only a man in a funny red sheet
Looking for special things inside of me

It’s not easy to be me, aber ich habe es immerhin geschafft, mein kleines freiberufliches Unternehmen fünf Jahre lang über Wasser zu halten. Hurra!

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